”Eine schöne Bescherung” 01
Fynn schnaufte leise im Treppenhaus, denn er mußte in den vierten Stock und hatte knapp das zweite Geschoß geschafft. Er war langsam, denn einige Andere rauschten an ihm vorbei, und er war nicht der Schnellste mit seinem Gepäck und der Krücke, die er hatte. Sein Zimmer war im vierten Stock und das hatte er akzeptiert, da dieses Wohnhaus einen Fahrstuhl hatte ... aber der war im Moment blockiert, und der Gedanke ließ ihn leise aufschnaufen. Es waren die harten Sportler ... und dann waren sie nicht fit genug, ihre Möbel schneller im Treppenhaus hochzutragen. Nein - sie versuchten, die großen Möbel in den Aufzug zu stopfen, auch wenn das deutlich länger dauerte. Nach einer kurzen Pause stieg Fynn die Treppe weiter hinauf und kämpfte sich nach oben.
Währenddessen war Chris kurz im Sekretariat gewesen, um seine Zimmernummer zu bekommen und sich anzumelden ... und schüttelte ebenfalls den Kopf, als er die Sportler mit den Möbeln sah. Da sie aber schon abweisend fluchten, bot er seine Hilfe lieber nicht an und lief leichtfüßig die Treppen hoch, ehe er stutzte, als er einen anderen, sichtbar schlanken Studenten sah, der sich mit seinem großen Koffer und einer Krücke die Treppen heraufkämpfte. Ohne weiter zu zögern, lief Chris noch die letzten Stufen bis zu dem anderen jungen Mann hoch, ehe er unter ihm stoppte ihn leise ansprach. "Hi ... ich muß bis ganz nach oben in den vierten Stock, darf ich dir helfen ? Egal, wo du hinmußt, es ist auf dem Weg ... so ist es leichter für dich, und ich helfe gerne."
Fynn hatte das nicht erwartet und atmete kurz tief durch, bevor er sich umdrehte und dann sah, wem die angenehme Stimme gehörte. Zuerst sah er das freundliche Lächeln - es gehörte einem größeren Kerl, der eindeutig auch Sportler sein mußte, auch wenn er schon etwas seltsam mit seiner Kleidung aussah. Es waren hauptsächlich die hellroten Hosenträger, die an der eigentlich passenden, schwarzen Jeans hingen. „Uhm ... schon gut, ich habe es gleich .... danke.“ Dann sah er wieder nach vorne und wollte weiter nach oben, aber die Pause mitten auf der Treppe machte ihm doch zu schaffen und er schnaufte leise, bevor er tief durchatmete und sich überwand. „Ich bin auch im vierten Stock ... es wäre nett, den Koffer die letzten Treppen zu nehmen,.“ Das Durchringen fiel ihm schwer, aber es war wohl doch nötig.
"Gerne." Es war Chris sehr schwer gefallen, nichts zu sagen, als dieser junge Mann zuerst ablehnte ... doch nun war er froh darum, nichts gesagt zu haben und nickte, ehe er die restlichen Treppenstufen bis zu ihm hochging, den Koffer am Griff nahm und ihn einfach auf die breite Schulter wuchtete. Dann ging der große Schwarzhaarige vor ... doch so, daß er die Anderen davon abhielt, auf dem Weg nach unten den jungen Mann zu rammen, und ging oben im vierten Stock auf die Seite, um ihm die Türe aufzuhalten. "Ich trage ihn dir noch zu deinem Zimmer, ja ? Und wenn du möchtest, kannst du noch einen Moment Atem schöpfen, ich habe Zeit."
„Danke, das war genug ... kannst meinen Koffer hier hinstellen. Den Rest schaffe ich schon.“ Fynn bedankte sich natürlich, aber weitere Hilfe wollte er nicht haben. Er sah jetzt aber auch, wie groß der Kerl mit den Hosenträgern wirklich war, und blickte zu ihm auf. Er sah schon gut aus, aber er war wohl eindeutig einer der Sportler ... denn er hatte doch recht breite Schultern, lange Beine und reichlich Kraft. Auch wenn er jetzt freundlich gewesen war, hatte Fynn keine gute Erfahrungen mit diesen Kerlen. Dann lenkte ihn aber ein lautes Geräusch ab und er blickte zu dem Fahrstuhl, der sich gerade geöffnet hatte ... das Sofa war wohl gleich rausgefallen, so daß es daher laut knallte, als es auf dem Boden des Flurs aufschlug. „Oh, Mann ...“ murmelte er und schnaufte leise, da nun erstmal der ganze Flur damit blockiert war.
"Du meine Güte ..." Chris sah gleich, daß er zu einem der Zimmer mußte, die hinter dem Sofa lagen und wenn er den Blick des schlanken Mannes deutete, dem er geholfen hatte, ging es ihm nicht anders. Also nahm Chris seinen Reisesack ab und legte ihn an die Seite, bat den jungen Mann, kurz darauf aufzupassen und ging zu dem Sofa, das den Weg versperrte. Da die Sportler noch die Treppen heraufliefen, ging Chris kurzerhand in die Knie und hob das eine Ende an, zog das Sofa komplett heraus und stellte es quer, ehe er es wieder herabließ und kurz nickte. So konnte man wieder gut vorbei und es blockierte auch nicht den Aufzug ... also kam er wieder zurück und nahm seinen Reisesack auf, hing ihn über seine breite Schulter und lächelte verlegen zu dem ebenfalls Schwarzhaarigen, dem er auf der Treppe geholfen hatte. "Danke, daß du auf meinen Reisesack aufgepaßt hast, er ist mir wichtig. Komm, gehen wir - ich muß ebenfalls in die Richtung, mein Zimmer liegt irgendwo dort hinten."
Fynn hatte kurz geschluckt, als der Große das schwere Sofa so aus dem Weg schaffte - und selbst der eine Sportler, der schon oben war hatte dumm gekuckt, denn das Ding mußte doch recht schwer gewesen sein. „Uhm ... geh einfach, ich muß zwar auch in die Richtung, aber komme schon klar.“ Er packte nun seinen Rollykoffer und stapfte los, denn er wollte sich beeilen. Wenn die anderen Idioten oben ankamen, würden sie sicher wieder den ganzen Flur blockieren..
"Kein Problem - ich gehe dir nach." Mit den Worten ging Chris etwas aus dem Weg, damit der Schlankere vorbeikonnte und stellte sich dabei zwischen ihn und den noch immer gaffenden Sportler, ehe langsam folgte, damit er den Schlankeren nicht überholte. Es war eine unbewußte Reaktion, da dieser durch seine Krücke langsamer war. Während sie den Gang entlanggingen, blickte Chris immer wieder auf das Schreiben, das er bekommen hatte und hob kurz eine Braue, als sie beide am Ende des Ganges ankamen. "Ah ... bist du auch in Nummer vierzehn ?"
Fynn war kurz sprachlos und zog den Zimmerschlüssel aus seiner Manteltasche. Dort stand die Zimmernummer, und er blickte zu dem Großen auf. „Wie es scheint. Ich dachte, du bist Sportler ... sag nicht, du hast auch den Kunstunterricht ?“
"Sportler ?" Im ersten Moment war Chris sichtbar verblüfft, doch dann lächelte er verlegen und zuckte die breiten Schultern. "Hatte mit Sport an sich nie viel am Hut ... gut, als Kinder und Jugendliche spielt man hin und wieder, aber das war bei mir nie wichtig. Ich komme aus Alaska, weißt du ? Da ist in den Schulen Sport nicht so wichtig, da wir im Winter ja nicht gehen können und die restliche Zeit für den Stoff brauchen. Und ja, ich bin in Kunst ... Holz, um genau zu sein und natürlich Kunstgeschichte, weil das dazugehört, und Soziales. Ich möchte Kindern helfen, und Streetworkern auch." Auch Chris hatte seinen Schlüssel herausgenommen und sperrte nun auf, öffnete die Türe weit und trat wieder zurück, damit der Andere zuerst eintreten konnte. "Such dir aus, welches Bett du haben willst, ja ? Und ich bin Chris - es ist schön, dich kennenzulernen." Als er endete, hielt Chris dem Schlankeren seine Hand hin und lächelte noch ein wenig tiefer, da er ihn jetzt schon mochte.
„Fynn. Und es kam doch unerwartet, ich dachte echt, du bist Sportler.“ Er reichte ihm nun doch kurz seine Hand, die mit der rauen Hand vorsichtig umschlossen und geschüttelt wurde. Dann lösten sich die Hände und Fynn trat ein, denn er mußte sich doch langsam ausruhen. Wäre er nicht so lange mit dem Auto hergefahren, hätte er wohl auch die Treppe besser geschafft, denn auch das zu lange Fahren ging auf seine linke Hüfte und das Bein. „Wäre gut wenn ich das Bett nehme, das nicht an der Wand steht. Von beiden Seiten aufstehen ist für mich angenehmer.“
Chris war ihm gefolgt und nickte, als er seinen Reisesack wieder abnahm und schon zu dem Bett an der Wand ging. "Kein Problem, Fynn ... ich nehme immer Rücksicht auf Andere und für dich ist es sicher einfacher, wenn du entscheiden kannst, von welcher Seite du ins Bett gehst. Und bevor du auf falsche Gedanken kommst: Ich helfe gerne, das gehört in meiner Familie dazu. Im Gegenteil gibt es mir Kraft und Energie, wenn ich helfe ... deshalb bin ich auch in allen sozialen Aktivitäten, für die ich mich eintragen konnte, ohne daß sich etwas überschneidet." Alleine schon der Gedanke daran, daß er an so vielen verschiedenen Aktivitäten mitmachen konnte, ließ den großen Schwarzhaarigen kurz strahlen, ehe er leicht errötete und seinen Reisesack auf das Bett stellte. "Sorry ... mir geht manchmal der Gaul durch, wenn es um so etwas geht."
„Uhm ... schon gut.“ Fynn zog seinen Koffer zum Bett und hob ihn dann doch selber kurz hoch ... erst dann setzte er sich, um ihn zu öffnen. Wie erhofft, war die Matratze schön fest, denn zu weich würde früher oder später ein Problem werden, wenn er versuchte, aus dem Bett aufzustehen. „Kunstgeschichte haben wir dann wohl gemeinsam und ... uhm ... okay, du bist wohl wirklich auch ein schräger Künstler.“ Alle Künstler hatten so ihre Marotten, und Chris stand wohl auf bestimmte Kleidung. Allein die Winterjacke, die er mitgenommen hatte, war so hellrot wie die Hosenträger, hatte aber einen weißen Fellkragen und hier und da einige weiße und schwarze Musterbänder. Scheinbar fuhr er auf schwarz, weiß und rot ab. Fynn war eher schwarz, grau und weitgehend dunkle Farben und liebte seine kurzen Manteljacken, auch wenn er auch noch einen langen Mantel dabei hatte.
"Hm ?" Im ersten Moment wußte Chris nicht, was Fynn meinen könnte ... doch dann fiel sein Blick auf die Kleidung, die er aus seinem Reisesack geholt hatte, und er kratzte sich verlegen im Nacken. "Äh ... das ist in meiner Familie normal, wir lieben schwarz und hellrot, und dazwischen ein wenig weiß zur Auflockerung. Wir stehen nicht so unbedingt auf blaue Jeans und braungrüne Flanellhemden ... wir mögen die schwarzen Jeans lieber, und die Flanellhemden in schwarz mit hellrot, oder auch dunkelblau. Ich bin jedenfalls froh, daß du auch dunkle Farben magst - ich denke, du verstehst das mit den Vorlieben."
„Ja - und ich denke, die meisten Künstler tun einfach, was ihnen gefällt und tragen auch, was ihnen gefällt, egal was Andere dazu sagen.“ Erst jetzt stand Fynn wieder auf und ließ die Krücke neben dem Bett stehen. Er wollte seine Kleidung in den Schrank räumen und war ganz froh, daß der auch näher am Bett stand.
Dabei beobachtete ihn Chris und zögerte ... doch dann drehte er sich doch zu Fynn um und sprach ihn leise an. "Ich weiß, daß ich mich eigentlich nicht einmischen sollte ... aber ich kann sehen, daß die Herfahrt und das Treppensteigen dich sehr angstrengt haben. Der Schwager meines Bruders hatte vor zwei Jahren einen Unfall und das Bein ist nicht so gut verheilt, wie wir alle hofften ... und auch ihn schmerzt es, wenn er zu lange sitzt oder Treppen nimmt. Darf ich dir etwas helfen ? Ich sehe, daß du sehr stolz bist und würde eigentlich nicht fragen ... aber ich mache mir Sorgen. Kein Mitleid, nur Sorgen."
Der Grünäugige betrachtete Chris, als er sprach und sah, daß es wirklich ehrlich gemeint war. Das mit dem Mitleid kannte er zu gut, und Chris zeigte es wirklich nicht. „Ich war von einem Auto angefahren worden und lag ziemlich lange im Krankenhaus. Mein Bein war am Schlimmsten dran, aber ich konnte nach längerer Zeit wieder laufen und bin froh, auch wenn ich nicht mehr rennen kann. Ich werde wirklich viel bemitleidet oder schief angekuckt ... du bist einer der Wenigen, die es nicht machen. Also ein Mensch, der mich nicht kennt, und so handelt.“ Es war wirklich neu und irgendwie beruhigend. Er konnte Chris wohl vertrauen. „Also gut - ich setze mich und gebe dir die Sachen, dann kann ich mich doch etwas ausruhen.“
Im ersten Moment dachte Chris, er hätte sich verhört ... doch dann nickte er langsam und seufzte leise, als er Fynn den Stapel mit T-Shirts abnahm. "Jep, Sid hatte das gleiche Problem. Natürlich ist es gut, wenn einem die Leute die Türe aufhalten, mit Krücken oder einem Gehstock ist es problematisch. Bei uns in der Stadt waren alle wie immer höflich und haben ihn nicht anders behandelt ... aber als er für eine Therapie nach Amerika mußte, war es ganz anders. Die Leute da sind echt schräg - entweder blicken sie dich voller Verachtung an, weil du nicht vollkommen bist, oder sie überhäufen dich mit falscher Fürsorge. Was Sid erzählte, war manchmal wirklich nicht mehr feierlich und wir waren alle froh, als er wieder zurückkam." Dann legte Chris den Kleiderstapel dorthin, wo Fynn ihm zeigte und nahm den nächsten Stapel, um ihn einzuräumen. "Ich bin ja froh, daß es dir wieder besser geht ... wenn du magst und du dein Bein sehr angestrengt hast, kann ich dich ja auch mal massieren ? Meine Mom ist Krankenschwester und hat uns allen wegen Sid verschiedene Techniken gezeigt, weil ein überlasteter Muskel schnell krampfen kann."
„Das Massieren ist erstmal nicht nötig, danke.“ Das war für Fynn doch noch zu intim, daher lehnte er ab. Er hatte alle Kleidung aus dem Koffer rausgeholt und ganz unten lagen Taschen, in denen Stifte und auch andere Kunstdinge drin waren. Jetzt stand er auch wieder auf und verstaute die Sachen bei seinem Arbeitstisch, der zum Glück genug Lagermöglichkeiten und auch Licht hatte.
Währenddessen hatte Chris ihm noch die restliche Kleidung eingeräumt und nickte nur, ehe er zu seinem Bett ging und seine eigene Kleidung aufnahm, um sie in den Schrank zu legen. Dann nahm er noch ein Paar schwarze Turnschuhe, ein Paar schwarze Lederhalbschuhe und ein Paar kniehoher, schwarzer Schaftstiefel heraus, ehe er auch schwarze Winterstiefel mit Fellkragen herausholte und alle in den Schrank stellte. Erst jetzt kam er zu seinen anderen Sachen und nahm neben einem großen Kulturbeutel auch eine große Lederrolle und einen Werkzeugkoffer aus seinem Reisesack, pfiff leise vor sich hin und stellte sein Schnitzwerkzeug auf seinen Schreibtisch. "Du bist ein Zeichner, nicht wahr ? Das ist bewundernswert ... ich wünschte, ich könnte das auch. Das ist das Einzige, vor dem ich wirklich Bammel habe: Wenn ich eine Zeichnung von dem machen soll, das ich schnitzen will."
„Ich kann mich irgendwie nicht auf eine Technik festlegen, oder was ich benutze. Ich mache hier den Kunstunterricht, um alles noch genauer zu verwenden ... und so hab ich einen Nachweis, und kann mit der Kunstgeschichte viel nach dem Abschluss tun. Und ich denke, bei dir ist im Kopf, was du machst, nur beim Unterricht wollen die Lehre sicher ne Zeichnung haben von dem, was du dann mit Holzkunst machen magst.“ Fynn sprach ruhig ... er hob aber eine Braue als er sah, wieviel Chris in seinen Schrank gepackt hatte. Er konnte sich kaum denken, daß in den Reisesack so viel reinpaßte. „Ich staune, wie gut du alles in deinen Reisesack gepackt hast. In so etwas paßt wohl mehr rein, als ich gedacht habe.“
Chris wollte schon etwas zu dem Zeichnen sagen, als er stockte und leicht rotwerdend mit den Schultern zuckte. "Äh ... das liegt daran, daß der Sack so ähnlich wie der Sack des Weihnachtsmannes ist: Es paßt viel, viel mehr rein, als man denkt, er ist verzaubert." Dann seufzte der Größere leise und setzte sich auf sein Bett, faltete den Reisesack zusammen und sprach weiter. "Aber das mit dem Zeichnen ... genau das ist mein Problem. Ich habe das Bild von dem, das ich machen will, im Kopf - und kann es auch schnitzen. Aber wenn ich einen Bleistift in die Hand nehme, setzt es aus. Technische Zeichnungen wie ein Tisch oder so etwas, das kann ich - aber keine Figuren."
Von Fynn kam nur ein „Aha ...“ als das mit dem verzauberten Reisesack von Chris kam ... doch er ging gleich wieder auf das Zeichnen ein. „Uhm ... also wenn du etwas Technisches zeichnen kannst, du kannst so etwas auch immer in eine Figur umsetzen. Warte.“ Er griff sich einen seiner leeren Blöcke und einen Bleistift, und setzte sich zu Chris auf das Bett. „Einen Körper kannst du mit Hilfe von so etwas auch zeichnen ... paß auf.“ Er zeichnete langsam eine Figur, die aus Kästen, Röhren und auch Dreiecken bestand, und zeigte sie dem Großen. „So in etwa, und dann kannst du das genauer machen.“ Er sprach leise und nahm einen roten Stift, den er sich doch noch hinter das Ohr gesteckt hatte, und zeichnete langsam in die Formen einen einfachen Körper, damit es für den Anfang nicht zu schwer war. „Und mit dem technischen Zeichnen ... ich denke, du kannst da auch einiges von den Perspektiven, so kannst du auch die Körperhaltung ändern. Allein bei einem Gesicht geht es auch mit technischen Zeichnen. Aber ich will dich jetzt nicht mit allen zuschütten, wir sind gerade erst angekommen.“
Im ersten Moment war Chris überrascht, daß sich Fynn zu ihm setzte ... doch er nickte nur und neigte sich etwas näher, um nun mit immer größer werdenden Augen zu beobachten, wie dieser einfach so zu zeichnen begann. Für ihn war das ein halbes Wunder und Chris nickte nur langsam, ehe er sich die längeren Ponys aus der Stirn strich und schief grinste. "Wow. Einfach nur ... wow. Du kannst das einfach so, das ist bewundernswert, echt. Aber ich glaube, ich begreife langsam, was du meinst - vielleicht kriege ich das auch langsam hin, aber ich muß dafür noch üben. Viel üben. Ganz ehrlich, das wird noch sehr schwer werden, aber ich muß da durch. Frage - weißt du zufällig, wo es hier einen guten Laden für Zeichenartikel gibt ? In der Broschüre für das College stand, daß alles in der Nähe ist ... aber ich kenne mich überhaupt nicht aus und muß alles neu besorgen, da ich nichts mitgebracht habe. Und außer dir kenne ich hier Niemanden, Fynn."
„Üben ist wichtig, irgendwann hat man es drin und es mach Klick im Kopf. Und wegen den Läden - ich muß selbst auch noch was holen. Moment.“ Als er endete, stand Fynn wieder auf und legte danach den Block auf seinen Tisch. Erst dann holte er die Karte des Campus heraus und blätterte etwas herum, denn es war im Grunde ein mehrseitiges Heft. „Uhm ... ah, da. Ich hab sie schon für mich markiert.“ Er reichte Chris das Heft. „Sie sind zwar eingezeichnet, aber waren nicht so gut markiert.“ Auf der Seite waren auch noch Klebezettel, und Fynn war doch etwas verlegen. „Ich verliere hin und wieder die Übersicht.“
Doch Chris war sichtbar beeindruckt und besah sich kurz die so markierten Seiten, ehe er nickte und ihm das Heft zurückgab. "Ehrlich ? Die habe ich schon gar nicht bekommen bei dem Teil, danke. Darf ich die Marker kopieren ? Ich habe alleine schon vier gesehen, die ich auch brauchen kann, so ist es einfacher für mich ... ich bin so etwas leider nicht gewohnt, bei mir in Alaska sind die Colleges viel kleiner."
„Frag mal ... wegen der Größe habe ich so viel markiert. Und ich kann vielleicht gut zeichnen, aber ich hab keinen guten Orientierungssinn.“ Er grinste nun sacht, denn um hierherzukommen, hatte er seine Fahrtroute auf dem Handy gespeichert, und damit hatte es ohne Probleme geklappt. „Hast du auch noch dein Campus-Heft ? Du kannst von mir Zettel haben, und dir in deines dann alles eintragen. Marker kann ich dir auch geben.“
"Jep, Moment ... ich hole es schnell." Mit den Worten stand Chris auf und ging noch einmal zu seinem Reisesack, holte aus ihm noch einen Messengerbag heraus und öffnete ihn, wühlte ein wenig und nickte, als er das Heft herausnahm und etwas schief grinste. "Heft ist ein etwas unpassender Begriff ... das Teil ist dicker als das Telefonbuch meiner Heimatstadt."
Jetzt lachte Fynn, denn er konnte sich das schon gut denken. „Ich denke, das Telefonbuch von hier ist so dick, das ich mich draufstelle und dir direkt in die Augen kucken kann.“ Während er sprach, gab er Chris die Klebezettel und auch die Marker. „Schreib ganz in Ruhe ab, ich muß jetzt doch mal wohin.“ Er mußte nun doch mal ins Bad, und würde gleich seine Badezimmersachen mitnehmen.
"Danke dir - und kein Problem." Mit den Worten nahm Chris die Klebezettel und Marker und auch das Campusheft des Schlankeren, setzte sich auf sein Bett und nutzte die Zeit, um alles, das er von Fynn brauchen konnte, zu kopieren. Dann legte er ihm alles ordentlich auf dessen Schreibtisch und sein eigenes Heft auf seinen Schreibisch, ehe er seinen Kulturbeutel nahm und darauf wartete, daß Fynn fertig wurde. Der Gedanke an ihn ließ Chris wieder sacht lächeln ... denn er mochte den selbstbewußten Grünäugigen sehr.
Es dauerte auch nicht allzu lange, und Fynn kam wieder aus dem Bad. „Das Bad ist größer als ich dachte, so kann man sich doch besser drin bewegen.“ Es war wirklich angenehm, auch wenn er mit engen Bädern klarkam ... aber wenn er wo wohnte, war es doch schöner, ein etwas größeres Bad zu haben. „Ach so, ich will noch Heute die Läden ankucken, magst du mitkommen ?“ Er fragte lieber, noch bevor Chris im Bad verschwand.
Jener war schon auf dem Weg gewesen und nickte, ehe er ihn wieder anlächelte. "Wenn das gänge ? Wie gesagt ... ich brauche alles außer mein Werkzeug neu, und die Bücher müssen wir uns so oder so noch besorgen. Wenn wir das Heute erledigen, dann kommen wir nicht in das Gedränge, das ab Morgen sicherlich überall herrschen wird ... also wenn du möchtest ? Ich trage auch alles - das ist das Mindeste, das ich für dich tun kann, wenn du fährst."
„Okay und alles mußt du auch nicht tragen ... ich hab noch einen Rucksack im Auto, den nehme ich dann mit.“ Fynn mochte Chris, denn er war einfach so freundlich und sympathisch, daß er sich gleich mit ihm anfreunden konnte. Er sah auch gut aus - aber das war nicht an erster Stelle, es war einfach sein Charakter. „Und vielleicht was essen ... ich denke, unterwegs finden wir auch reichlich.“
Das brachte den Größeren dazu, herzhaft zu lachen und er nickte, als er Fynn antwortete. "Hundertprozentig. Das habe ich schon auf dem Weg hierher gesehen: Überall hat es Restaurants, so viele unterschiedliche Richtungen, das mir der Kopf schwirrt. Aber das ist auch verständlich ... die Leute hier auf dem College essen sicherlich so viel, daß die Restaurants hier gut Geschäft machen. Aber die Kantine soll auch sehr gut sein, habe ich gelesen - auch wenn sie leider erst heute Abend aufgemacht wird." Dann verschwand Chris kurz im Bad, stellte seinen Kulturbeutel auf das zweite Regal und erleichterte sich ebenfalls.
Dann würden sie sich unterwegs etwas zu Essen suchen und Fynn machte sich schon bereit, damit sie gleich losgehen konnten. Er hatte sich von der Fahrt hierher und der Treppe schon genug erholt, und nahm die Liste der Sachen, die er noch brauchte. Auf die Kunstläden war er schon am Meisten gespannt, denn hier gab es sicher reichlich und hoffentlich auch gute Farben. Allein da war er aber auch gespannt, wie Chris auf diese Läden reagierte ... denn die Größen schien er nicht zu kennen und er selbst kannte eher kleine Läden, und noch nicht so einen Großmarkt. Also würden sie beide wohl mit großen Augen dort hindurchgehen.
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